Er windet sich wie eine Spirale, ist winzig klein und doch häufig verantwortlich für eine Vielzahl von Magenproblemen wie Geschwüren oder eine chronische Gastritis: der Magenkeim Helicobacter pylori. Seit Jahrtausenden tragen wir ihn mit uns herum, doch längst nicht jeder weiß über seine ungebetenen Mitbewohner Bescheid: Nur bei jedem fünften Betroffenen kommt es zu Beschwerden.

Der blinde Passagier im Magen


Das Bakterium trägt lange Eiweißfäden, sogenannte Geißeln, die es wie einen Propeller zur Vorwärtsbewegung nutzen kann. Es lebt in der Schleimhaut des Magens von bis zu 50 Prozent der Menschen auf der ganzen Welt. In Deutschland ist der Magenkeim allerdings auf dem Rückzug. Nur noch bei jedem Dritten über Vierzig findet sich der Helicobacter, bei Kindern im Vorschulalter ist sogar nur noch eines von dreißig betroffen.

Um sich seiner schwierigen Lebensumgebung anzupassen, verfügt der Helicobacter über verschiedene Schutzmechanismen. Das Bakterium produziert zum Beispiel ein Enzym, die Urease, die Harnstoff in Kohlendioxid und Ammoniak zerlegt. Das Ammoniak puffert die aggressive Magensäure in der unmittelbaren Nähe und schützt so den Helicobacter.

Weiteren Schutz findet das Bakterium direkt unter der Magenschleimhaut. Helicobacter pylori lockert die Schleimhaut auf und bewegt sich darin mithilfe seiner Geißeln fort. Einige der Bakterienstämme verfügen zusätzlich über Eigenschaften, die sie erheblich angriffslustiger machen. Zum einen injizieren sie Stoffe in die Zellen, die Entzündungsreaktionen auslösen können. Zum anderen üben sie einen dauerhaften Reiz auf die Zellen der Magenschleimhaut aus und zerstören sie so mit der Zeit.

Bekannte Erkrankungen, die der Helicobacter auslösen kann, sind die chronische Magenschleimhautentzündung (Gastritis vom Typ B) sowie Geschwüre in Magen und Zwölffingerdarm. In einigen Fällen kann sich die Erkrankung zu Krebs weiterentwickeln. Viele Menschen tragen das Bakterium in ihrem Körper, aber nicht jeder wird auch krank davon. Andersherum haben sehr viele Magenprobleme eine Infektion mit Helicobacter pylori zur Ursache.

Die Menschheit wandert und der Helicobacter pylori wandert mit


Seit über 50.000 Jahren lebt der Helicobacter in unseren Mägen. Seine Weiterentwicklung zeigt die Wege der Völkerwanderung auf. Bis heute sind durch die veränderten Lebensbedingungen der Menschen auch neue Typen des Helicobacter entstanden: Das Bakterium hat sich seiner Umgebung angepasst. Forscher entdeckten einen europäischen Typ des Helicobacter pylori, zwei asiatische Formen sowie drei afrikanische Typen.

Im Rahmen der Entführung der Sklaven von Afrika nach Nordamerika wurde auch der afrikanische Typ des Bakteriums verschleppt. In Deutschland können Familienmitglieder identische Helicobacter haben, in afrikanischen oder südamerikanischen Ländern verfügen ganze Dorfgemeinschaften über eine gemeinsame Form.

Infektion: Wie der Helicobacter in den Körper gelangt


Wissenschaftler verfolgen verschieden Theorien, wenn es um den Ansteckungsweg für den Helicobacter pylori geht. Naheliegend ist die Infektion von Mund zu Mund, auch die Infektion über Kontakt mit erbrochenem Mageninhalt. Außerdem ist der Infektionsweg fäkal-oral vorstellbar, über verunreinigtes Trinkwasser und schlechte sanitäre Bedingungen. Verschiedene Studien unterstützen beide Theorien.

Risikofaktoren für eine Infektion mit dem Bakterium sind zum Beispiel eine angeborene Abwehrschwäche des Darms, der Konsum von Nikotin oder Alkohol sowie negativer Stress. Die bloße Infektion mit dem Helicobacter macht einen Menschen aber noch nicht krank. Mensch und Bakterium können durchaus in friedlicher Symbiose leben und der Eindringling scheint sogar das Immunsystem zu beruhigen.

Allergische Erkrankungen wie Ekzeme treten bei Menschen, die mit Helicobacter infiziert sind, seltener auf als bei Nichtinfizierten. Verhält sich der Keim nicht so kooperativ, kann er für viele verschiedene Beschwerden im Magen-Darm-Bereich sorgen. Auch eine regelmäßige Einnahme der altbekannten nichtsteroidalen Antirheumatika (zum Beispiel Azetylsalizylsäure, Ibuprofen, Diclofenac) erleichtern dem Helicobacter pylori einen Einzug in den menschlichen Magen.

Was der Helicobacter im Magen anstellt

Die meisten Helicobacter-Träger wissen nichts von ihrer Infektion. Ist der Keim aber nicht von der harmlosen Sorte, kann er diverse Symptome und Erkrankungen verursachen. Bei etwa einem Fünftel der Betroffenen kommt es zu Symptomen. Beginnend mit unspezifischen Bauchschmerzen und Störungen der Verdauung (Übelkeit und Erbrechen, Sodbrennen, Blähungen, Durchfall), über Mundgeruch (Halitosis) bis hin zu einer chronischen Magenschleimhautentzündung (Typ-B-Gastritis) und Geschwüren in Magen und Zwölffingerdarm.

Circa 90 Prozent der Patienten mit einem Geschwür sind mit dem Helicobacter pylori infiziert. Bei einem Prozent der Helicobacterträger bildet sich Magenkrebs in der gestressten Schleimhaut. Da die sogenannten Stammzellen aufgrund der chronischen Entzündung zu viele neue Zellen produzieren müssen, unterläuft ihnen irgendwann ein Fehler und die Zellen entarten. Menschen ohne Helicobacter haben eine vierzigfach niedrigeres Risiko, an Magenkrebs zu erkranken. Im Jahr 2005 erhielten die Wissenschaftler Barry Marshall und John Warren nach zwanzig Jahren Forschung, unter anderem an sich selbst, den Nobelpreis. Sie hatten den Zusammenhang von Helicobacter pylori und Magenschleimhautentzündung, Geschwüren sowie Magenkrebs bewiesen.

Warnzeichen für eine Erkrankung durch Besiedelung mit Helicobacter pylori:

  • Nüchternschmerz, der sich durch die Aufnahme von Nahrung bessert
  • Bauchschmerzen nach einer Mahlzeit
  • starke Schmerzen in der Nacht
  • Blut im Stuhlgang oder Teerstuhl (schwarzer klebriger Stuhl)

Diagnose: Wie der Arzt das Bakterium entdeckt


Besteht aufgrund der Symptome der Verdacht auf eine Infektion, kann das Bakterium im Blut, im Stuhl oder in der Magenschleimhaut nachgewiesen werden. Es gibt verschiedene Untersuchungsmethoden, um einen Befall mit Helicobacter pylori festzustellen oder auszuschließen. Einige Tests führt der Arzt durch, andere können Sie in der Apotheke oder im Internet kaufen und zu Hause durchführen.

  • Der 13-C-Harnstoff-Atemtest ist in der Klinik oder der Arztpraxis recht einfach durchzuführen. Sie trinken eine Flüssigkeit, die ein Harnstoffpräparat enthält, und geben nach circa 45 Minuten eine Atemprobe in ein spezielles Gerät ab. Der Test bestimmt den Gehalt an Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Ausatemluft. Befindet sich in Ihrem Magen der Helicobacter pylori, spaltet er den erhaltenen Harnstoff in Kohlenstoffdioxid und Ammoniak. Ihr Arzt findet demnach in Ihrer Atemprobe einen erhöhten CO2-Gehalt.
  • Eine weitere Untersuchung findet den Helicobacter im Stuhl. Der Labormediziner untersucht eine Stuhlprobe auf das sogenannte Helicobacter-Antigen. Es repräsentiert einen Teil des Bakteriums und weist sein Vorhandensein nach.
  • Im Blut kann der Arzt Antikörper gegen den Helicobacter pylori nachweisen. Diese erlauben allerdings keine genaue Aussage über die Infektion selber oder ob der Keim nach einer Behandlung verschwunden ist.
  • Steht bei Ihnen eine abklärende Magenspiegelung an, entnimmt der untersuchende Arzt dabei verschiedene Proben der Magenschleimhaut. Im Labor werden diese getestet. Der Helicobacter kann angezüchtet und unter dem Mikroskop sichtbar gemacht werden. Ein Ureasetest sucht nach dem typischen Enzym des Bakteriums, das Harnstoff spalten kann.

Der Helicobacter-Test für zu Hause


Möchten Sie aus persönlichen Gründen selbstständig testen, ob der Helicobacter pylori in Ihren Magen eingezogen ist, finden Sie in der Apotheke oder im Internet verschiedene Schnelltests, die einfach zu handhaben sind. Ihre Funktion beruht auf dem Nachweis von Antikörpern. Sie bringen ein paar Tropfen Blut aus der Fingerbeere auf der Testkarte auf, tropfen eine Reaktionslösung hinzu und warten den angegebenen Zeitraum ab. Nach 10 bis 15 Minuten erhalten Sie ein Ergebnis. Ob die gegebenenfalls nachgewiesenen Antikörper tatsächlich auf eine akute Infektion hindeuten, kann nur ein Arzt mit weiteren Diagnosemaßnahmen herausfinden.

Therapie: Wie Sie den Helicobacter wieder loswerden


Löst der Helicobacter unangenehme Symptome oder sogar eine Erkrankung wie ein Magengeschwür aus, ist es Zeit für ihn zu gehen. Im Anschluss an den Nachweis in der Magenschleimhaut, im Stuhl oder im Blut verschreibt Ihnen Ihr Internist oder Gastroenterologe eine Kombinationstherapie (Helicobacter-pylori-Eradikation) aus zwei verschiedenen Antibiotika und einem Medikament, das die Produktion der Magensäure hemmt.

Die Antibiotika wirken in einem neutralen Magen besser und die Schleimhaut kann sich ohne ständige Säureangriffe besser erholen. In Deutschland nutzen Ärzte zur Eradikation zumeist einen modernen Protonenpumpenhemmer wie Lansoprazol, Pantoprazol oder Omeprazol gegen die Säuresekretion, zusammen mit den Antibiotika Clarithromycin und Amoxicillin (Französische Triple-Therapie).

Alternativ wird Metronidazol mit Clarithromycin kombiniert (Italienische Triple-Therapie). Bei resistenten Bakterienstämmen kommt noch Wismutsalz hinzu. Die Medikamente nehmen Sie für eine bis zwei Wochen zweimal täglich in Tablettenform ein. Dann setzt der Arzt die Antibiotika ab und gibt dem Magen vier bis acht zusätzliche Wochen Zeit, sich unter der Wirkung des Säurehemmers zu erholen. Die Eradikationstherapie beseitigt den Helicobacter bei über 90 Prozent der Patienten. 80 bis 90 Prozent der Geschwüre im Magen und im Zwölffingerdarm heilen durch die Behandlung ab.

Vorbeugen: Die Schwierigkeit, dem Helicobacter aus dem Weg zu gehen


Vorbeugen ist besser als heilen, sagt der Volksmund. Da der Infektionsweg des Helicobacters noch nicht sicher bewiesen ist, ist ein sicheres Vorbeugen einer Infektion kaum möglich. Generelle Hygienemaßnahmen in der Küche, im Bad und bei der Pflege von Kranken schützen vor vielen Magen-Darm-Keimen und sind immer der richtige Weg. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung mit wenig Alkohol und am besten keinem Genuss von Nikotin kann möglicherweise ebenfalls einer Infektion vorbeugen.

Ein gesunder Magen kann hier einen gewissen Schutz bieten. Besprechen Sie die längerfristige Einnahme von magenunfreundlichen Medikamenten (nichtsteroidale Antirheumatika: Ibuprofen, Azetylsalizylsäure, Diclofenac, etc.) mit Ihrem Arzt. Die Wirkstoffe kurbeln die Ausschüttung der aggressiven Magensäure an. Eine Kombination mit einem Säurehemmer kann auch in diesem Fall dem Magen Schutz bieten.

Was der Helicobacter und die Zähne miteinander zu tun haben

Studien haben untersucht, ob eine Parodontalbehandlung (Zahnfleischreinigung und -sanierung) eine Eradikationstherapie unterstützen kann und den Patienten vor einer erneuten Infektion bewahrt. Die Überlegung der Mediziner war, dass das Bakterium eventuell auch im Mund zu finden sein kann und bei einer Behandlung nicht ausreichend abgetötet wird. Eine neue Infektion des Magens wäre in diesem Fall wahrscheinlich. Das Ergebnis der Untersuchung war, dass Patienten die außer der medikamentösen Therapie auch eine Parodontalbehandlung erhielten, häufiger vom Helicobacter befreit blieben.

Der lange Weg zur Impfung gegen den Helicobacter

Wissenschaftler der Universität München und andere Forscher arbeiten seit Jahren daran, einen Impfstoff gegen den Helicobacter herzustellen. Das Team zielt auf ein spezielles Enzym des Bakteriums, das ausgeschaltet werden soll. Endgültige Ergebnisse und einen fertigen Impfstoff können Sie um das Jahr 2020 erwarten.

Hier weiterlesen:
Quellen anzeigen
  • Philip Sutton, Hazel Mitchell; Helicobacter Pylori in the 21st Century; CABI, 2010
  • Giulia Enders, Darm mit Charme, Ullstein Verlag, Berlin 2014
  • Yuan Y, Ford AC, Khan KJ, Gisbert JP, Forman D, Leontiadis GI, Tse F, Calvet X, Fallone C, Fischbach L, Oderda G, Bazzoli F, Moayyedi P. Optimum duration of regimens for eradication. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 12. Art. No.: CD008337. DOI: 10.1002/14651858.CD008337.pub2
  • Ren Q, Yan X, Zhou Y, Li W. Periodontal therapy as adjunctive treatment for gastric infection. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 2. Art. No.: CD009477. DOI: 10.1002/14651858.CD009477.pub2
  • http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/helicobacter-pylori-dieser-keim-macht-nicht-nur-krank-14439778.html - Stand 22.05.2017