Aus den USA kommen regelmäßig Gesundheits- und Fitnesstrends, die auch hier von vielen Menschen verfolgt werden. Nicht jeder hinterfragt dabei den Sinn und die möglichen Vor- und Nachteile einer speziellen Diät oder Ernährungsform. Ein aktuelles Beispiel ist der freiwillige Verzicht auf das Weizenklebereiweiß Gluten. Für Menschen mit einer angeborenen Glutenunverträglichkeit, von Medizinern als Zöliakie oder einheimische Sprue bezeichnet, ist diese Lebensweise eine Notwendigkeit. Tatsächlich sind aber nur zwei bis drei Prozent in Deutschland von einer Zöliakie betroffen. Gesunde Menschen dahingegen profitieren laut einer Studie nicht von einer Ernährung ohne Gluten. Sie schaden sich eventuell sogar.

Zöliakie: Ein Leben ohne Gluten


Zöliakie kann sich bereits bei Babys zeigen. Fällt ein Säugling nach der Einführung von Getreide in seinen Speiseplan durch schlechtes Gedeihen, schmerzhafte Blähungen sowie chronischen Durchfall und schlechte Laune auf, liegt die Diagnose Zöliakie nahe. Die erbliche Erkrankung beruht auf einer Unverträglichkeit von Getreideeiweißkleber (Gluten), die sich durch eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut ausdrückt. Im Verlauf verliert die Schleimhaut so ihre typische Oberfläche und funktioniert nicht mehr ausreichend, um den Körper mit Energie aus der Nahrung zu versorgen.

Ist die Erkrankung nur leicht ausgeprägt und fällt erst im Erwachsenenalter durch Bauchschmerzen oder eine körperliche und geistige Leistungsschwäche auf, sprechen Mediziner von der einheimischen Sprue. In Deutschland wird bei circa einem von 1000 Kindern pro Jahr eine Zöliakie diagnostiziert und unter circa 5000 Erwachsenen tritt ebenfalls eine Neuerkrankung pro Jahr auf. Ein erheblicher Anteil der Betroffenen zeigt dabei übrigens keine Beschwerden.

Der Erkrankung auf der Spur

Hat der behandelnde Arzt den Verdacht auf eine Glutenunverträglichkeit, kann er zunächst spezielle Werte im Blut bestimmen. Sind Antikörper gegen Gliadin (direkt gegen das fremde Eiweiß), Endomysium (körpereigene muskuläre Strukturen) und Transglutaminase (ein Verdauungsenzym) vorhanden, empfiehlt der Gastroenterologe eine Dünndarmbiopsie. Bei dieser Untersuchung nutzt der Mediziner eine Darmspiegelung, um sich die Oberfläche der Darmschleimhaut anzusehen und gleichzeitig mit einer kleinen Zange Proben daraus zu entnehmen. Im Labor kann die Diagnose Zöliakie durch eine Auszählung von Abwehrzellen (T-Lymphozyten) gesichert oder ausgeschlossen werden.

Nie wieder Gluten

Haben Sie die Diagnose Glutenunverträglichkeit erhalten, gibt es nur eine Möglichkeit, Ihren empfindlichen Darm zu schützen. Sie verzichten für den Rest Ihres Lebens auf Gluten. Aufgrund des großen Aufsehens um das Eiweiß, finden Sie mittlerweile eine große Anzahl glutenfreier Produkte in den Supermärkten, die mit dem Symbol einer durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet sind. Da schon kleine Mengen an Gluten schädlich für Sie sein können, aber in vielen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten sind, erleichtert Ihnen die Kennzeichnung auf der Verpackung das Leben deutlich.

In der Natur findet sich Gluten in den Getreidesorten Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel und Grünkern. Auch Bulgur, Emmer Urkorn und Kamut leiten sich von Weizen ab und enthalten daher Gluten.

Unbeschwert genießen

Weiterhin zugreifen dürfen Sie zum Beispiel bei Mais, Reis, Soja, Kartoffeln, Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch sowie reinen Milchprodukten.

Alternative (glutenfreie) Getreidesorten sind zum Beispiel:

  • Hirse
  • Amaranth
  • Polenta
  • Buchweizen
  • Reismehl
  • Quinoa
  • Sorghum

Lagern Sie Lebensmittel mit und ohne Gluten voneinander getrennt und achten Sie darauf, dass Sie bei der Zubereitung einer Mahlzeit immer frische Gefäße und sauberes Besteck benutzen. So kommen Sie nicht ungewollt mit Gluten in Kontakt, wenn Sie für nicht von Zöliakie betroffene Familienmitglieder Mahlzeiten zubereiten.

Glutenverzicht bringt gesunden Menschen gar nichts


In den letzten Jahren hat der Weizen mit seinen Eiweißen einen recht negativen Ruf erhalten. Vermeintliche Gesundheitsgurus raten zu einem Verzicht auf Gluten, um schlank und fit zu werden. In den USA sind Weizenprodukte angeblich aus jedem zehnten Haushalt verschwunden. Forscher haben sich über Jahre mit dem freiwilligen Glutenverzicht befasst. In den USA beobachteten sie 110.000 gesunde Menschen über 24 Jahre hinweg. Im "British Medical Journal" veröffentlichten sie nun ihre Ergebnisse. Wer vor allem seiner Herzgesundheit zuliebe Gluten aus seinem Speiseplan streiche, tue sich keinen Gefallen, berichten die Wissenschaftler. Aßen die Probanden der Studie zudem auch weniger Vollkornprodukte, waren ihre Herzen sogar schlechter vor Erkrankungen geschützt als die der Vergleichsgruppe.

Was Weizen zu ihrer Gesundheit beitragen kann

Weizenvollkorn enthält wichtige Ballaststoffe, die zu einer gesunden Darmflora beitragen, den Blutzuckerspiegel regulieren und den Darm bei seiner Verdauungsarbeit unterstützen. Es ist laut Experten also nicht sinnvoll, ohne medizinischen Grund wie eine Zöliakie oder eine Weizenallergie längerfristig auf Gluten zu verzichten. Leiden Sie an Bauchbeschwerden, die Ihrer Meinung nach auf eine Glutenunverträglichkeit hindeuten? Experimentieren Sie lieber nicht mit einer Diät herum, sondern lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt, Internisten oder Gastroenterologen fachlich kompetent beraten.

Kinder und Gluten

Leidet Ihr Kind an einer Zöliakie, ist es selbstverständlich keine Frage, Gluten von seinem Speiseplan zu streichen. Ist der Nachwuchs gesund, gehört Weizen zu einer gesunden und vollwertigen Ernährung dazu. Der positive Effekt auf die Darmflora ist sehr wichtig für das Immunsystem und kann ihr Kind sogar vor Krankheiten schützen. Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Säugling seit der Einführung von Getreidebrei Probleme mit dem Stuhlgang und mit Blähungen hat? Nimmt Ihr Baby nicht mehr so gut zu wie zuvor oder verliert es sogar Gewicht? Vereinbaren Sie einen Termin bei Ihrem Kinderarzt und warten Sie nicht bis zur nächsten vorgesehenen Vorsorgeuntersuchung. Anhand der standardisierten Wachstumskurven kann der Mediziner genau sehen, ob der kleine Patient gut gedeiht oder ob eine weitere Abklärung der Symptome notwendig ist.

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Quellen anzeigen
  • Beatrice R. Amann-Vesti, Klinische Pathophysiologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2006
  • Lebwohl Benjamin, Cao Yin, Zong Geng, Hu Frank B, Green Peter H R, Neugut Alfred I et al. Long term gluten consumption in adults without celiac disease and risk of coronary heart disease: prospective cohort study BMJ 2017; 357 :j1892 (http://www.bmj.com/content/357/bmj.j1892)
  • Millward C, Ferriter M, Calver SJ, Connell-Jones GG. Gluten- and casein-free diets for autistic spectrum disorder. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 2. Art. No.: CD003498. DOI: 10.1002/14651858.CD003498.pub3.