Was ist Histamin?


Das Gewebshormon Histamin gehört – wie beispielsweise auch das Glückshormon Serotonin – zur Gruppe der biogenen Amine (Eiweißverbindungen). Sie entstehen durch die Umwandlung von Aminosäuren, also Bausteinen für Eiweißstoffe. Ausgelöst wird der Entstehungsprozess von Histamin, wenn Lebensmittel

  • mikrobiologischen Verarbeitungsprozessen (beispielsweise Gärung oder Reifung) unterzogen werden,
  • lange gelagert wurden oder
  • nicht mehr ganz frisch sind (Unterbrechung der Kühlkette).

Doch auch der Körper selbst stellt Histamin her und speichert es in bestimmten Zellarten, unter anderem in Mastzellen und basophilen Granulozyten, die beide zu den weißen Blutkörperchen gehören. Histamin ist an zahlreichen wichtigen Funktionen beteiligt, unter anderem an der

  • Steuerung von Entzündungsprozessen,
  • Regulierung des Blutdrucks sowie des Schlaf-Wach-Rhythmus und
  • Magensaftbildung.

Nun ist es so, dass sowohl Zellen, die Histamin speichern, als auch Histaminrezeptoren („Andockstellen“ für Histamin) im gesamten Organismus zu finden sind. Und das erklärt, warum eine erhöhte Histaminfreisetzung auch fast alle Organe betreffen kann. Die Symptompalette beschränkt sich somit häufig nicht nur auf Beschwerden im Magen-Darm-Bereich.

Zahlen zur Histaminintoleranz:

Mindestens 1 bis 5 Prozent der Bevölkerung sind betroffen, der Großteil (circa 80 Prozent) ist weiblich.1

Histaminintoleranz: Was ist denn da los im Körper?


Auch wenn die Ursachen, die letztendlich zu den Symptomen einer Histaminintoleranz führen, noch nicht abschließend erforscht sind, scheinen sie doch auf 3 Mechanismen zurückzugehen.

Enzymmangel

Grundsätzlich sind die Enzyme

  • Diaminoxidase (DAO), die vor allem in der Dünndarmschleimhaut gebildet wird, und
  • Hydroxy-N-Methyltransferase (HNMT), in Organen wie der Leber,

dafür zuständig, Histamin wieder abzubauen. Bei einem vorherrschenden Ungleichgewicht zwischen Histamin und DAO, findet das Histamin seinen Weg über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf und somit in die Organe. Hier hat unser Körper eigentlich ein „Backup“ in Form der HNMT eingeplant, falls der primäre Abbau über die DAO nicht einwandfrei funktioniert. Beim Abbau durch die HNMT entsteht Methylhistamin, das jedoch wiederum die Arbeit der HNMT behindert. Ein verstärkt von der HNMT gestemmter Histaminabbau ist somit nicht möglich – letztendlich landet also auch trotz dieses „Umweges“ zu viel Histamin im Körper. Für einen Mangel an DAO ist übrigens eine genetische Veranlagung nicht von der Hand zu weisen.1

Enzymblockade

Bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe sowie Medikamente benötigen ebenfalls das Enzym DAO, damit sie abgebaut werden können. Vereinfacht formuliert, kommt es dann zu einem Konkurrenzkampf zwischen dem Histamin und anderen Substanzen, denn letztlich wollen und sollen alle abgebaut werden. Das Nachsehen hat häufig das Histamin. Dessen Verstoffwechslung wird als „weniger dringlich“ eingestuft, woraus schließlich ein Histaminanstieg resultiert.

Histaminfreisetzung (Histaminliberation)

Auch histaminspeichernde Zellen, wie die Mastzellen, geben das biogene Amin unter bestimmten Umständen wieder ab. Diese körpereigene Freisetzung sowie die darauffolgenden Beschwerden können ausgelöst werden durch

  • Lebensmittel wie Nüsse, Tomaten, Alkohol, Erdbeeren und Kiwis2,
  • Lebensmittelzusatzstoffe, beispielsweise Geschmacksverstärker oder Farbstoffe, sowie
  • bestimmte Medikamente aus der Arzneimittelgruppe der Schmerzmittel, zum Beispiel Metamizol, Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Morphin.2

Des Weiteren gelten unter anderem auch Röntgenkontrastmittel, Antibiotika, lokale Betäubungsmittel, Antidepressiva sowie Schleimlöser (die Acetylcystein oder Ambroxol enthalten) als mögliche Auslöser einer gehemmten DAO oder ungewollten Aktivität der histaminfreisetzenden Zellen.3

Zu beachten:

Sie haben den Verdacht, Medikamente, auf die Sie angewiesen sind, könnten für Ihre Histaminintoleranz verantwortlich sein? Bitte setzen Sie diese nicht eigenmächtig ab, ohne vorher mit Ihrem behandelnden Arzt Rücksprache gehalten zu haben.

Typische Symptome einer Histaminintoleranz


Die Beschwerden können mannigfaltig ausgeprägt sein. Leichte Beschwerden sind ebenso denkbar wie starke. Ab welcher Histaminmenge der Körper Alarm schlägt, ist ebenfalls sehr unterschiedlich.

Unangenehme Auffälligkeiten im Verdauungstrakt sind möglich, zum Beispiel

Es gibt aber auch Symptome, die meist nicht sofort mit einer Histaminintoleranz in Verbindung gebracht werden, beispielsweise

  • Kopfschmerzen,
  • gerötete oder tränende Augen,
  • Hautirritationen (wie Nesselausschlag, Hautrötung oder Juckreiz),
  • häufiges Niesen,
  • verstopfte Nase,
  • chronisch niedriger Blutdruck oder Blutdruckschwankungen,
  • Herzrasen, Herzrhythmusstörungen,
  • Atembeschwerden,
  • Schlafprobleme,
  • Schwindel,
  • Menstruationsbeschwerden sowie
  • im Extremfall ein lebensbedrohlicher anaphylaktischer (allergischer) Schock.

Wie viel Zeit zwischen dem Genuss unverträglicher Lebensmittel und dem Eintreten der Beschwerden verstreicht, ist ebenfalls äußerst unterschiedlich: Während sich bei manchen Betroffenen die Symptome bereits nach einigen Minuten zeigen, dauert es bei anderen bis zu 24 Stunden.1

Weder muss die komplette Symptomliste mit „ja“ beantwortet werden, noch ist es immer so, dass mehrere Beschwerden gleichzeitig vorkommen. Es ist durchaus möglich, dass die gesundheitlichen Probleme zeitversetzt auftreten. Das Völlegefühl beispielsweise direkt nach dem Lebensmittelverzehr, Stunden später machen Blähungen oder Hautveränderungen zu schaffen und der nächste Tag ist geprägt von Durchfall und Kopfschmerzen.

Kann eine Histaminintoleranz auch ganz plötzlich auftreten?

Ja, mögliche Gründe hierfür sind Erkrankungen wie Magen-Darm-Infekte, Stress, körperliche Belastung oder die Einnahme von Medikamenten. Auch die Monatsblutung kann dahinterstecken, zu Beginn dieser steht nämlich das Enzym DAO in verminderter Menge zur Verfügung.

Einmal Histaminintoleranz, immer Histaminintoleranz?

Es gibt chronische Störungen des Histaminabbaus, aber auch solche, die von kurzer Dauer sind. Und zwar dann, wenn die ursächliche Erkrankung dafür – beispielsweise ein Darminfekt oder eine Dünndarmentzündung – behandelt und auskuriert ist.

Histaminintoleranz diagnostizieren


Tatsächlich fehlt ein Diagnoseverfahren, mit dem sich eine Histaminintoleranz sicher feststellen lässt. Zwar bieten manche Ärzte und Heilpraktiker Screening-Tests, deren Kosten die Patienten selbst tragen müssen, erkennen kann man die Nahrungsmittelintoleranz dadurch jedoch nicht. Schwierig ist die Diagnose auch deshalb, weil einige Symptome auch zu den typischen Anzeichen einer Allergie (beispielsweise gegen Pollen) oder einer anderen Nahrungsmittelunverträglichkeit (zum Beispiel Laktoseintoleranz) gehören.

Von daher ist es empfehlenswert, sich – im Rahmen einer individuellen Ernährungstherapie – bei einem Diätologen oder Ernährungstherapeuten umfassend zu informieren. In einigen Fällen lassen sich die Symptome nach einer gezielten Ernährungsumstellung lindern.

Sie wissen nicht, an wen Sie sich wenden können?

Mitglieder des Deutschen Allergie- und Asthmabundes e.V. werden individuell zu Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten beraten.

Behandlung: Was kann ich tun bei Histaminintoleranz?


Die tragende Säule der Behandlung bei einer Histaminintoleranz ist eine Anpassung der Ernährung. Unerlässlich ist es daher, ein Ernährungs-Symptom-Protokoll zu führen, um die Lebensmittel zu ermitteln, die Beschwerden bereiten. Notieren Sie dabei Uhrzeit, Menge, was Sie gegessen haben und welche Symptome Sie bemerken. Falls Sie Nahrungsergänzungsmittel einnehmen oder auf Medikamente angewiesen sind, bitte auch diese aufschreiben.

Die Ernährungstherapie besteht dann aus 3 Phasen:

  • Karenzphase: Essen Sie 2 bis 3 Wochen ausschließlich histaminarme Lebensmittel.3 Verzichten Sie auf grobes Vollkornbrot, Kohl, Hülsenfrüchte, reduzieren Sie Kohlenhydrate und erhöhen Sie den Konsum von Eiweiß und Fetten. Ziel der ersten Phase ist es, dass Sie im besten Fall keine Beschwerden mehr haben oder sich diese zumindest deutlich reduzieren.
  • Testphase: Nach abgeschlossener Karenzphase geht es nun darum, über einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen nach und nach Lebensmittel zu testen.3 Für gewöhnlich wird nach folgendem Fahrplan vorgegangen: Pro Tag ein Nahrungsmittel, danach etwa 24 Stunden abwarten, ob Sie das Lebensmittel tatsächlich vertragen oder doch zeitversetzt unangenehme Symptome wie beispielsweise Blähungen oder Völlegefühl auftreten.3
  • Langzeiternährung: Im besten Fall sind nun die schmackhaften „Übeltäter“ ermittelt, die Sie künftig gezielt meiden können. Um den Körper trotzdem mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen, ist es ratsam, sich von einem Ernährungstherapeuten Hilfe zu holen. Vor allem dann, wenn neben der Histaminintoleranz weitere Unverträglichkeiten vorliegen, kann es im Alleingang schnell zu einer falschen Ernährungsweise beziehungsweise Mangelernährung kommen.

Übrigens: Es gilt nicht nur auszuprobieren, welche Lebensmittel verträglich für den Magen und Rest des Körpers sind, sondern auch, in welcher Menge. Finden Sie Ihre persönliche Toleranzschwelle heraus.

Histaminarme und -reiche Lebensmittel – ein kleiner Überblick


Der Verzehr der folgenden Nahrungsmittel – es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit – ist in Sachen Histaminintoleranz eher kritisch zu betrachten. Sie enthalten entweder große Mengen Histamin oder sind histaminfreisetzend:

  • alkoholische Getränke
  • bestimmte Gemüsesorten, beispielsweise Tomaten
  • konserviertes Gemüse wie Sauerkraut
  • Hülsenfrüchte, Bohnen
  • geräucherter und konservierter Fisch
  • bestimmte Obstsorten, wie Kiwi, Orange
  • Schokolade, Kakao, Nugat
  • Schrot- und Roggensauerteigbrote, Pumpernickel
  • scharfe Gewürze
  • Rohschinken und -würste
  • lang gereifter Käse, insbesondere Hartkäse

Auch ein Blick auf das Zutatenverzeichnis auf verpackten Lebensmitteln lohnt sich: So erkennen Sie, ob darin Substanzen enthalten sind, die in Hinblick auf die Histaminintoleranz nicht zuträglich sind. Dazu gehören

  • Konservierungsmittel (E 210 – 219, E 200 – 203)
  • Geschmacksverstärker (E 620 – 625)
  • Schwefelverbindungen (E 221 – 228)
  • Farbstoffe (E 100, 101, 102, 104, 120, 123, 127, 131, 132)

Sie sind zu einem Geschäftsessen oder Geburtstag eingeladen, möchten aber die dort angebotenen Speisen nicht ablehnen. Was jetzt?

Es besteht die Möglichkeit, vorbeugend ein sogenanntes nicht sedierendes Antihistaminikum einzunehmen, welches die Wirkung des Histamins abschwächt.6 Auch die Einnahme von Diaminoxidase-Tabletten vor dem Essen kann helfen. Lassen Sie sich hierzu vorab von einem Arzt oder Apotheker ausführlich beraten. Die beiden aufgeführten Möglichkeiten zur Vorbeugung stellen keinen Ersatz für eine histaminarme Ernährung dar und sollten ausschließlich bedarfsweise verwendet werden.

Als gut verträglich gelten unter anderem:

  • frische Lebensmittel
  • Dinkelbrote, Zwieback, Knäcke- und Toastbrot
  • Frisch- und Butterkäse, junger Gouda, Mozzarella
  • Gemüse wie Fenchel, Gurke, Süßkartoffel
  • fangfrischer Fisch
  • frische Eierspeisen
  • Fleisch (frisch oder tiefgekühlt)
  • Obst, beispielsweise Äpfel, Aprikosen
  • Kaffee (frisch gebrüht)

Darüber hinaus gibt es Nährstoffe, die dem Enzym Diaminoxidase (DAO) „unter die Arme greifen“ und somit beim Abbau von Histamin positiv mitwirken: Vitamin B6, Zink, Kalzium, Kupfer, Magnesium und Vitamin C7. Vor der Einnahme bitte auch ärztlichen Rat einholen.

Noch ein Wort zum Schluss: Essen soll Spaß machen und hat auch immer etwas mit Genuss zu tun. Erlegen Sie sich nicht unnötige Restriktionen auf, Experten raten, von einer konsequent histaminfreien Kost abzusehen.5 Verzichten Sie nicht auf Lebensmittel, die Sie gut vertragen, auch wenn diese auf diversen Verbotslisten stehen.

Auch interessant:
Julia Lindert Die Ressortjournalistin Julia Lindert spezialisierte sich während ihres Studiums auf die Themenfelder Medizin und Biowissenschaften. Medizinische Sachverhalte in verständlicher Sprache zu formulieren, ist das, was sie an ihrer Arbeit besonders mag. Ihr Credo in Bezug auf Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten: Nichts beschönigen, aber auch keine unnötigen Ängste schüren. Julia Lindert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
Quellen anzeigen
  • Kamp, Anne: Histaminintoleranz. Genussrezepte für Ihr Wohlbefinden. München : Gräfe und Unzer. 2017. S. 9 – 10.
  • Kamp, Anne: Histaminintoleranz. Genussrezepte für Ihr Wohlbefinden. München : Gräfe und Unzer. 2017. S. 20 – 31.
  • Deutscher Allergie- und Asthmabund: Histamin-Unverträglichkeit. https://www.daab.de/ernaehrung/nahrungsmittel-unvertraeglichkeit/histamin-unvertraeglichkeit/ - Stand 16.12.2019.
  • Vogelreuter, Axel: Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Laktose, Fruktose, Histamin, Gluten. Stuttgart : Hirzel Verlag. 2015. S. 18.
  • Schmiedel, Volker: Alarm im Darm. Mythos Reizdarm – was Ihrer Verdauung wirklich hilft. Stuttgart : TRIAS Verlag. 32016. S. 72.
  • Wantke, Felix/Binder-Mendl, Christine: Ernährung bei Histaminintoleranz. Wien : Maudrich Verlag. 215. S. 17.