Die Teller sind noch nicht abgeräumt, die ersten Speisenden lockern die Gürtel und schon steht die Flasche mit dem hochprozentigen Inhalt auf dem Tisch. Ein kleiner Digestif soll dem Magen helfen, mit der etwas zu üppig geratenen Mahlzeit fertig zu werden. Hat der Alkohol aber wirklich diesen Effekt? In der Medizin halten sich Mythen besonders hartnäckig. Der Verdauungsschnaps scheint zu einem dieser Phänomene zu gehören, denn Studien zeigen eher, dass Schnaps die Verdauung verlangsamen kann.

Was die Wissenschaft über Verdauungsschnäpse sagt


Wie nicht anders zu erwarten existieren nur wenige wissenschaftliche Studien zum Thema Verdauungsschnaps. Eine Untersuchung aus der Schweiz an lediglich 20 gesunden Probanden wird immer wieder gerne zitiert. Im Jahr 2010 veröffentlichte das British Medical Journal einen Artikel dazu. Die Schweizer Mediziner untersuchten die Wirkung von Käsefondue mit Brot auf die Verdauung, wenn die Probanden in einem Alter zwischen 23 und 58 Jahren entweder alkoholische oder nicht-alkoholische Getränke zum Essen zu sich nahmen. Der beliebte Verdauungsschnaps wurde ebenfalls in die Versuchsanordnung integriert. Nach der genossenen Mahlzeit kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass mit dem Alkoholkonsum auch die Verdauungsprobleme zunahmen. Wein und Schnaps verlangsamten die Magenentleerung und hatten nur einen kurzfristigen allgemein entspannenden Effekt auf die Probanden. Bei Personen, die Wasser oder Tee zum Fondue getrunken hatten, funktionierte die Verdauung im Anschluss deutlich besser.

Was im Körper nach dem Verdauungsschnaps passiert


Der hochprozentige Alkohol entfaltet seine Wirkung auf den Magen und das Verdauungssystem wohl über die Nervenbahnen, die die Muskulatur stimulieren. Ein Schnaps bremst die Reizweiterleitung und hemmt so die peristaltischen Bewegungen, die den Nahrungsbrei durch den Verdauungstrakt transportieren.

Welches alkoholische Getränk die Verdauung unterstützen kann


Auch wenn Gastroenterologen eher dazu raten, auf den Verdauungsschnaps nach fettigem Essen zu verzichten, müssen Sie sich nicht gleich für die Abstinenz entscheiden. Probieren Sie es mit einem Aperitif und bereiten Sie Ihren Magen so auf eine üppige Mahlzeit vor. Belassen Sie es aber bei einem Glas und trinken Sie dieses circa 30 Minuten bevor Sie sich zu Tisch begeben. Ernährungsexperten empfehlen zum Beispiel Sherry, ein Pils oder Portwein vor der Mahlzeit. Diese Alkoholsorten verfügen im Gegensatz zum typischen Verdauungsschnaps über Bitterstoffe, die die Säureproduktion der Magenschleimhaut anregen. Der Effekt ist allerdings nicht vom Alkoholgehalt der Getränke abhängig.

Was Sie sonst noch für Ihre Verdauung tun können


So gut auch ein deftiges Festmahl schmeckt, Völlegefühl und Magenbeschwerden im Anschluss lassen den Genuss schnell wieder in den Hintergrund treten. Sie sind nun aber nicht dazu verdammt, stöhnend mit geöffneter Hose auf der Couch zu liegen, weil Ihr Gastroenterologe Ihnen den Verdauungsschnaps verboten hat. Es gibt Möglichkeiten, die Verdauung sinnvoll zu unterstützen. Wie wäre es mit einem Spaziergang nach dem Essen? Genießen Sie die frische Luft. Die leichte Bewegung regt den Verdauungstrakt an und hilft Ihnen dabei, das Völlegefühl zu vergessen. Der Effekt dieser leichten Bewegung ist sogar wissenschaftlich belegt. Eine Untersuchung der Universitätsklinik Mannheim ergab, dass ein leichter Verdauungsspaziergang die Magenentleerung bei jungen gesunden Männern begünstigte, während ein Verdauungsschnaps den Abtransport des Speisebreis in den Darm verzögerte.

Hilfsmittel aus der Natur


Das Glas Enzianschnaps nach dem Essen ist ja nun tabu, aber wie wäre es mit einem Glas Enziantee? Der Tee wird wie ein Aperitif circa eine halbe Stunde vor einer üppigen Mahlzeit getrunken. Für die Zubereitung benötigen Sie einen Teelöffel geschnittene Enzianwurzel und 150 Milliliter kaltes Wasser. Mischen Sie die Zutaten in einem kleinen Topf und kochen Sie die Mischung auf. Lassen Sie den Tee im Anschluss circa fünf Minuten zugedeckt ziehen und gießen Sie ihn durch ein Teesieb in eine Tasse. Bis zu zwei Tassen am Tag unterstützen Ihre Verdauung auf sinnvolle Weise.

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Quellen anzeigen
  • Gerd Herold, Innere Medizin, Selbstverlag Köln, 2012
  • Heinrich Henriette, Goetze Oliver, Menne Dieter, Iten Peter X, Fruehauf Heiko, Vavricka Stephan R et al. Effect on gastric function and symptoms of drinking wine, black tea, or schnapps with a Swiss cheese fondue: randomised controlled crossover trial BMJ 2010; 341 :c6731 (http://www.bmj.com/content/341/bmj.c6731)
  • Andreas Franke, Hermann Harder, Anna K. Orth, Sabine Zitzmann, Manfred V. SingerJ. Postprandial Walking but not Consumption of Alcoholic Digestifs or Espresso Accelerates Gastric Emptying in Healthy Volunteers. Gastrointestin Liver Dis; March 2008 Vol.17 No 1, 27-31 (http://www.jgld.ro/2008/1/4.pdf)