"Guten Appetit" – das wünschen sich höfliche Menschen in der Regel vor dem Essen. Aber was ist das eigentlich, Appetit? Und was passiert, wenn er plötzlich fehlt? Unter Appetitlosigkeit (Inappetenz, Anorexie) verstehen Mediziner einen Mangel an Hunger, der sich auch in der Ablehnung bestimmter Speisen ausdrücken kann. Für kurze Zeit verliert jeder Mensch mal den Appetit, das ist ganz normal. Häufige Gründe sind zum Beispiel Stress, eine Magen-Darm-Grippe oder eine andere harmlose Erkrankung.

Besonders Kinder haben nicht jeden Tag gleich viel Lust auf Essen. Viele Eltern beobachten bei ihrem Nachwuchs einen Wechsel von Heißhungerphasen und Appetitlosigkeit. Auch die Schwangerschaft ist eine typische Zeit für einen kurzfristigen Verlust der Freude am Essen. Und schließlich nimmt mit dem Alter nicht nur der Kalorienbedarf ab, sondern auch der Appetit. Lässt der Hunger aber ganz plötzlich nach, eventuell in Kombination mit einem ungewollten Gewichtsverlust und anderen Symptomen, ist es Zeit für einen Besuch beim Arzt.

Wie Appetit entsteht


Im Gehirn befinden sich das sogenannte Hungerzentrum und sein Gegenpart, das Sättigungszentrum. Diese Kommandozentrale regelt den Hunger, das Sättigungsgefühl und generell die Lust auf eine leckere Mahlzeit. Sie befindet sich in einem Teil des Zwischenhirns, dem Hypothalamus. Hormone und weitere Botenstoffe, die Neurotransmitter, steuern die Kommunikation zwischen Gehirn und Stoffwechselsystem. Das Sättigungshormon Leptin kann zum Beispiel den Appetit bremsen. Ein Mangel an Leptin steigert das Hungergefühl. Im Tierversuch konnten Wissenschaftler nachweisen, dass der Tumornekrosefaktor-alpha (ein Botenstoff im Rahmen von Entzündungen) die Ausschüttung von Leptin steigert und so den Appetit senkt. Ähnliche Vorgänge werden im Zusammenhang mit Schmerzen, Fieber und Durchfall beobachtet. Der Appetit kann zudem durch Sinnesreize geweckt werden – aber auch vergehen, wenn einem etwa „unappetitliche“ Gerüche in die Nase steigen. Auch der psychische Zustand sowie unsere Willenskraft können einen gewissen Einfluss auf das Hungergefühl ausüben. Aber wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Appetit und Hunger?

Hunger als Notruf des Körpers

Das Phänomen Appetit verbinden Wissenschaftler mit der menschlichen Psyche, während der Hunger ein physisches Signal ist, das unser Überleben sichert. Der Füllungszustand des Magens und der Blutzuckerspiegel regeln über das Hungerzentrum im Gehirn die Nahrungsaufnahme. Leidet ein Mensch über längere Zeit an Appetitlosigkeit, wird auch der Hunger irgendwann nachlassen. Es folgt ein wahrnehmbarer Gewichtsverlust und dem Betroffenen wird klar, dass etwas in seinem Körper nicht in Ordnung ist.

Wann Appetitlosigkeit bedenklich wird

Hören Sie auf Ihren Körper und hinterfragen Sie den Appetitmangel. Gibt es gute Gründe wie eine akut belastende seelische Situation oder eine harmlose Infektion, die die fehlende Lust am Essen erklären können? Wie stark ist der Gewichtsverlust ausgeprägt? Ist ein Ende der stressigen Phase in Sicht? Falls Sie sich Ihre Appetitlosigkeit selbst nicht erklären können oder Sie eine Gewichtsabnahme beunruhigt, gehen Sie zum Arzt. Leidet Ihr Kind im Teenageralter an auffälliger Appetitlosigkeit, ist ungewöhnlich verschlossen und reagiert gereizt auf das Thema Essen und Körpergewicht, denken Sie an das Krankheitsbild Magersucht (Anorexia nervosa) und sprechen Sie mit dem Kinderarzt Ihrer Familie. Anorexia nervosa kann Mädchen und Jungen betreffen.

Welche Symptome eine Appetitlosigkeit häufig begleiten


Die Appetitlosigkeit ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom, das bei vielen verschiedenen Krankheiten auftreten kann. Zusätzlich beschreiben viele Betroffene folgende Beschwerden:

Ursachen für Appetitlosigkeit


Mögliche Ursachen für eine längerfristige Appetitlosigkeit sind sowohl auf körperlicher als auch auf seelischer Ebene weit gestreut. Eine verminderte Lust am Essen tritt zum Beispiel häufig als unerwünschte Nebenwirkung bei einer Medikamenteneinnahme auf.

Folgende organische Erkrankungen können zu Appetitlosigkeit führen:

  • akute und chronische Infektionskrankheiten
  • bösartige Tumorerkrankungen
  • Magen-Darm-Erkrankungen
  • Tumor im Bauchraum
  • Niereninsuffizienz
  • Lebererkrankungen
  • Erkrankungen des Gehirns

Psychiatrische Krankheitsbilder, die Appetitlosigkeit verursachen können:

  • Anorexia nervosa
  • Bulimie
  • Depression

Risikogruppen für Appetitlosigkeit


Appetitlosigkeit in der Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit, kann aber diverse unangenehme Beschwerden mit sich bringen. In den ersten Wochen leiden viele werdende Mütter hormonbedingt unter Übelkeit und Appetitlosigkeit. Ist diese Zeit endlich vorbei, kommt der Appetit meist wieder. Tut er es nicht, macht sich die Schwangere Sorgen um die gesunde Entwicklung ihres Babys. Viele Frauen erwarten eher Heißhungerattacken in der Schwangerschaft und sind nicht auf Appetitlosigkeit vorbereitet. Kann der Frauenarzt keine Auffälligkeiten entdecken, gibt es keinen Grund zur Beunruhigung.

So wecken Sie den Appetit

  • Verteilen Sie kleine, schön angerichtete Mahlzeiten über den Tag.
  • Meiden Sie starke Aromen.
  • Essen Sie fettarm.
  • Die Mahlzeiten müssen nicht immer warm sein. Obst und rohes Gemüse mit einem Dipp aus Quark oder Naturjoghurt sind ebenfalls gesund und reich an Nährstoffen und Vitaminen.
  • Zwingen Sie sich nicht zum Essen, sondern lenken Sie sich eher ab.
  • Gönnen Sie sich Ihr Lieblingsessen und kaufen Sie weniger aber dafür hochwertigere Lebensmittel ein.

Appetitlosigkeit bei Kindern

Kinder können sehr speziell sein, wenn es um das Thema Essen geht. Im Kleinkindalter und noch bis in die Schulzeit hinein wechseln sich Appetitlosigkeit und Heißhunger episodenförmig ab. Jede Wachstumsphase fordert Kalorien, während in der Zeit dazwischen gerne das Essen auf dem Teller liegen bleibt. Machen Sie Appetit und Ernährung nicht zum großen Thema zu Hause. Je mehr Druck Sie ausüben, desto eher verweigern Ihre Kinder die Mahlzeiten. Zwingen Sie sie nicht, ihre Teller leer zu essen. Diese Ansichten sind veraltet. Bieten Sie eine ausgewogene Ernährung an, die durchaus auch Süßigkeiten beinhalten darf.

Kochen Sie gemeinsam mit der ganzen Familie und lassen Sie auch den Nachwuchs mal entscheiden, was auf den Tisch kommt. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind nicht zu viele Snacks zwischen den Mahlzeiten zu sich nimmt und sich ausreichend bewegt. Ein gesundes Kind verhungert auch bei scheinbarer Appetitlosigkeit nicht am gedeckten Tisch. Falls Sie nicht sicher sind, ob sich Ihr Kind gesund entwickelt, ist der Kinderarzt der richtige Ansprechpartner. Er berät Sie auch, ob appetitanregende Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll für Ihr Kind sein könnten. Eine länger dauernde unzureichende Gewichtszunahme oder sogar Gewichtsabnahme ist ein Warnzeichen, das abgeklärt werden sollte.

Appetitlosigkeit im Alter

Alte Menschen verlieren zunehmend ihr Gefühl für Hunger und Durst. Sie haben keinen Appetit und vergessen das Essen gerne. Hier helfen viele kleine ansprechend angerichtete Mahlzeiten, die über den Tag verteilt angeboten werden. Nüsse und Kerne sind appetitanregende Snacks und können gut mit Ölen aus der Aromatherapie kombiniert werden. Weitere wichtige Punkte sind leichte Bewegung an der frischen Luft, genügend Schlaf und ein ausgeglichenes Seelenleben. Medikamente aus der Naturheilkunde können auch im Alter angewendet werden. Eine vorherige Rücksprache mit dem Hausarzt ist allerdings sinnvoll, da sich Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ergeben können.

Wie der Arzt eine Appetitlosigkeit abklärt


In den meisten Fällen legt sich eine Appetitlosigkeit nach wenigen Tagen von selbst. Kommt der Appetit aber nicht zurück, wenn Sie es erwarten, und hält der Gewichtsverlust an, ist es Zeit für einen Besuch bei Ihrem Hausarzt. Der Mediziner wird sich zunächst ein Bild von Ihrer Krankengeschichte und Ihren Lebensumständen machen. Das Anamnesegespräch lenkt ihn auf dem Weg zur Diagnose in die richtige Richtung. Besonders wichtig sind auch Ihr Essverhalten, die Einnahme von Medikamenten und der Konsum von Genussmitteln.

Die körperliche Untersuchung


Es folgt die körperliche Untersuchung, die dem Arzt weitere Hinweise auf eventuell erkrankte Organsysteme liefert. Nach dieser ersten Orientierung erhalten Sie eine Empfehlung, welche weiterführenden Untersuchungen sinnvoll sein können. Der Arzt schlägt Ihnen zum Beispiel eine Blutentnahme, eine Stuhlanalyse oder eine Ultraschalluntersuchung vor. Endoskopische Untersuchungen wie die Magenspiegelung oder eine Darmspiegelung kommen ebenfalls in Betracht. Die Möglichkeiten sind vielfältig, da Appetitlosigkeit in Zusammenhang mit vielen verschiedenen Erkrankungen auftreten kann. Gegebenenfalls überweist Ihr Hausarzt Sie zu einem Spezialisten. Das kann auch ein Psychiater sein, wenn sich zum Beispiel Hinweise auf eine Depression oder eine Magersucht (Anorexia nervosa) ergeben.

Behandlung einer Appetitlosigkeit


Wie der Arzt einen Appetitmangel behandelt, richtet sich in erster Linie nach der Ursache. Findet sich keine behandelbare Diagnose, unterstützt Sie der Mediziner dabei, Ihren gesunden Appetit wiederzufinden und in der Zwischenzeit eine Mangelernährung zu vermeiden. Eine Ernährungsberatung informiert Sie über die erforderlichen Schritte und die Therapie mit Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamine, Mineralstoffe).

Hilfe zur Selbsthilfe

Nachdem sicher ist, dass keine behandlungsbedürftige Grunderkrankung bei Ihnen vorliegt, können Sie selbst versuchen, Ihren Appetit wiederzufinden. Überlegen Sie, ob Sie an Ihrer Ernährung, Ihren Schlafgewohnheiten oder Ihrem Sportprogramm etwas ändern können. Beschäftigen Sie sich mit dem Thema gesunde Ernährung und integrieren Sie viel frisches Obst und Gemüse in Ihren Speiseplan. Auch die Augen essen mit. Verbringen Sie etwas Zeit in der Küche und richten Sie Ihre Mahlzeiten ansprechend an. Aromastoffe wie Zimt und Ingwer können den Appetit anregen. Wählen Sie Ihr Lieblingsessen oder probieren Sie etwas ganz Neues aus. Vielleicht hilft auch ein Einkauf in einem besonderen Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt. Teilen Sie sich kleine Portionen ein und nehmen Sie lieber einen Nachschlag. Auf Alkohol verzichten Sie besser eine Weile. Bewegung an der frischen Luft kann den Appetit anregen. Eventuell helfen Ihnen auch Entspannungsübungen wie Yoga oder autogenes Training, um die Appetitlosigkeit zu bekämpfen.

Hilfreiches aus der Naturheilkunde

Bitterstoffe sind bekannt dafür, den Appetit anzuregen. Sie können entweder alleine helfen oder in Kombination mit der schulmedizinischen Therapie der Grunderkrankung.

Enzian

Der Enzian wirkt durch Bitterstoffe wie Amarogentin und Gentiobiose appetitanregend. Auch bei psychisch bedingter Appetitlosigkeit kann Enzian helfen. Für einen Enziantee kochen Sie einen Teelöffel klein geschnittene Enzianwurzel in einer Tasse kaltem Wasser auf. Gießen Sie den Tee durch ein Sieb ab und trinken Sie ihn circa eine halbe Stunde vor der nächsten Mahlzeit.

Artischocke

Die Blätter der Artischocke enthalten bis zu sechs Prozent Bitterstoffe. Sie regen den Appetit an, senken den Cholesterinspiegel im Blut und stimulieren den Fluss der Galle. Sie erhalten Fertigpräparate als Extrakt oder Saft in der Apotheke und im Reformhaus.

Chinarinde

Die chinesische Heilpflanze enthält den bekannten Bitterstoff Chinin, der den Appetit anregt sowie den Speichelfluss und die Produktion von Magensaft steigert. Der Extrakt der Chinarinde kann in Form von Tabletten, Tinktur oder als Tee eingenommen werden.

Teufelskralle

Die Wurzel der Teufelskralle stammt aus Südafrika und entfaltet ihre appetitanregende Wirkung durch den Bitterstoff Harpagosid. Zerkleinern Sie die Wurzel und brühen Sie abends drei Teelöffel des Naturheilmittels mit drei Tassen kochendem Wasser auf. Gießen Sie den Tee am nächsten Morgen durch ein Sieb und trinken Sie je eine Tasse vor einer Mahlzeit.

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Quellen anzeigen
  • Olaf Adam, Ernährungsmedizin: nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2004
  • Gerd Herold, Innere Medizin, Selbstverlag, Köln 2012
  • E.Schönau, Pädiatrie integrativ, Konventionelle und komplementäre Therapie, Elsevier Verlag, München 2005