Von allen Patienten, die aufgrund von Darmbeschwerden ihren Arzt aufsuchen, leidet rund jeder zweite an einem Reizdarm. Frauen sind dabei deutlich häufiger betroffen als Männer. Mediziner bezeichnen das Reizdarmsyndrom auch als irritables Kolon, Reizkolon, spastisches Kolon oder einfach als Reizdarm. Wer regelmäßig an unerklärlichen, plötzlich auftretenden Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfungen und Blähungen leidet, der ist möglicherweise vom Reizdarmsyndrom betroffen. 

Studien zeigen, dass Reizdarmpatienten im Vergleich zu gesunden Menschen sich deutlich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlen. Der Reizdarm ist dabei hauptsächlich eine Ausschlussdiagnose, da bei der Erkrankung keine eindeutigen organischen Befunde nachgewiesen werden können. Forscher beschäftigen sich intensiv mit diesem Phänomen. Die gängige Therapie des Syndroms besteht aktuell aus einer Sanierung der Darmflora und aus der Behandlung der einzelnen Symptome. Statt von vornherein auf eine Selbsttherapie zu setzen, muss bei den Symptomen unbedingt ein Arzt aufgesucht werden, um ernsthafte Erkrankungen wie Infektionen oder Darmkrebs auszuschließen.

Kriterien, die einen Reizdarm definieren:

  • Darmbeschwerden, die länger als drei Monate anhalten und mit Veränderungen des Stuhlgangs einhergehen.
  • Der Patient fühlt sich in seiner Lebensqualität stark eingeschränkt und sucht deshalb einen Arzt auf.
  • Andere Erkrankungen, die für die vorliegenden Symptome verantwortlich sein können, werden ausgeschlossen.

Ursachen für Reizdarm


Die genaue Ursache, die das Reizdarmsyndrom auslöst, ist noch nicht bekannt. Ärzte ziehen heute die folgenden Einflussfaktoren und Mechanismen in Betracht:

  • erhöhte Flüssigkeitsabgabe in den Dünndarm
  • gestörte Funktion der Darmbarriere mit erhöhter Durchlässigkeit der Darmwand
  • Störung der Darmbewegung von Dünndarm und Dickdarm mit entweder verlangsamter oder beschleunigter Passagezeit
  • Störung der Sensibilität des Darms mit verstärkter Wahrnehmung von Schmerzen im Zusammenhang mit der Verdauung
  • Störung des darminternen Immunsystems
  • Störung des Stoffwechsels von Serotonin
  • höhere Dichte von Nervenfasern in der Darmschleimhaut als bei Gesunden
  • Störung des vegetativen Nervensystems

Mittlerweile ist klar, dass Infektionen des Magen-Darm-Trakts das Reizdarmsyndrom auslösen können. Umweltfaktoren spielen ebenso eine Rolle wie erbliche Faktoren. Stress kann einen negativen Einfluss auf das Beschwerdebild haben, ist jedoch noch nicht als eigenständige Ursache nachgewiesen worden. Auch weitere psychische Faktoren wie Depressionen werden in Studien beobachtet und scheinen ein Reizdarmsyndrom zu begünstigen.

Symptome bei Reizdarm


Patienten, die von dem Syndrom betroffen sind, berichten hauptsächlich von Bauchschmerzen und anderen Beschwerden, die im Zusammenhang mit der Darmfunktion stehen. Auch eine veränderte Stuhlfrequenz und -konsistenz gehört oft zum Beschwerdebild. Typischerweise bessern sich die Symptome mit dem Absetzen von Stuhlgang.

Mediziner unterteilen das Reizdarmsyndrom (RDS) in vier Typen:

  • Typ 1 oder RDS-D zeigt Durchfall als dominantes Symptom
  • Typ 2 oder RDS-O zeigt Verstopfung (Obstipation) als dominantes Symptom
  • Typ 3 oder RDS-M zeigt wechselnd sowohl Durchfall als auch Verstopfung
  • Typ 4 oder RDS-U zeigt Schmerzen und Blähungen als dominante Symptome

Neben diesen hauptsächlich darmbezogenen Beschwerden leiden viele Patienten an Symptomen wie Abgeschlagenheit, Glieder- und Kopfschmerzen, Harnwegssymptomen und sexuellen Funktionsstörungen. Beobachtungen zeigen, dass ein Reizdarm oft chronisch in Schüben verläuft. Es treten auch Fälle mit spontaner Besserung der Symptome auf.

Wie die Diagnose Reizdarm gefunden wird


Da dem Reizdarmsyndrom keine eindeutigen strukturellen Veränderungen der Verdauungsorgane zugrunde liegen, hat die Medizin Diagnosekriterien entwickelt. Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und körperliche Untersuchung liefern dabei die ersten wichtigen Hinweise auf die Diagnose Reizdarmsyndrom. Als Leitlinie für die Diagnose gelten dabei die sogenannten Rom-III-Kriterien.

Nach diesen wird ein Reizdarm wie folgt beschrieben:

  • In den der Diagnose vorangegangenen 12 Monaten traten über mindestens drei Monate, an mindestens drei Tagen pro Monat, anhaltend folgende Symptome auf: Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder Durchfall sowie Schleimabgang mit dem Stuhl. Mit Absetzen von Stuhlgang bessern sich die Beschwerden regelmäßig.
  • Der Patient berichtet von einer deutlichen Verschlechterung seiner Lebensqualität.
  • Der Arzt kann andere strukturelle Darmerkrankungen ausschließen.

Untersuchungen im Labor / bildgebende Verfahren


Handelt es sich bei Magen-Darm-Beschwerden um ein Reizdarmsyndrom, kann der Arzt in den gängigen Untersuchungen keine Auffälligkeiten feststellen. Zur Abklärung der unspezifischen Bauchsymptome werden häufig Ultraschall, Computertomografie (CT) und die Endoskopie (Darmspiegelung) herangezogen. Im Labor folgen Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien, eine Blutuntersuchung der Leber- und Nierenwerte, der Elektrolyte, der Blutsenkungsgeschwindigkeit und des Blutbildes sowie der Schilddrüsenwerte. Der Stuhlgang kann auf die Verwertung der Nahrung und auf Infektionserreger untersucht werden.

[Außerdem bei DoktorDarm: Der Gastroenterologe: Aufgaben und Untersuchungsverfahren]

Therapie bei Reizdarm


Aufgrund der vier unterschiedlichen Formen gibt es keine einheitliche Therapie für einen Reizdarm. Ärzte behandeln das Reizdarmsyndrom daher symptomorientiert, da die verursachenden Mechanismen im Körper noch unbekannt sind. Je nach Beschwerdebild kombiniert der behandelnde Arzt Medikamente aus Naturheilkunde und Schulmedizin. Was bei einem Patienten hilft, kann bei einem anderen Betroffenen unwirksam sein. Treten Ihre Beschwerden nur gelegentlich auf, ist auch eine Selbstbehandlung möglich. Verschlechtert sich Ihr Zustand oder fühlen Sie sich unsicher, fragen Sie bitte Ihren Hausarzt oder Gastroenterologen um Rat. Eine Heilung des Reizdarmsyndroms mit Medikamenten gibt es derzeit noch nicht. Die Erkrankung kann sich aber phasenweise bessern oder spontan ausheilen.

Sanierung der Darmflora durch Bifidobakterien

Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten aus dem Jahr 2011 nehmen Bifidobakterien zum Aufbau einer gesunden Darmflora eine wichtige Stellung bei der Therapie des Reizdarmsyndroms ein. Mithilfe einer Darmsanierung mit den Mikroorganismen Lactobacillus plantarum und Bifidobacterium infantis konnte bei Reizdarmpatienten eine signifikante Verbesserung der Beschwerden beobachtet werden.

Flohsamen bei Reizdarmsyndrom

Die Samen der traditionellen Heilpflanze Flohsamenkraut sind gegen Verstopfung und Durchfall wirksam und daher auch beim Reizdarmsyndrom hilfreich. Die Schale der Flohsamen besteht zu einem hohen Anteil aus Schleimstoffen, quillt so bei Kontakt mit Wasser auf und produziert eine Art Gel. Der Stuhl wird eingedickt, sein Volumen erhöht und die Darmbewegung angeregt. Das Gel bindet zusätzlich Giftstoffe und bildet eine Barriere auf der Darmschleimhaut.

Anwendung: Flohsamen wird großzügig dosiert. Nehmen Sie 10 bis 30 Gramm des Quellmittels täglich ein. Lassen Sie zum Beispiel einen Teelöffel Flohsamen in einem Glas Wasser über eine halbe Stunde quellen und nehmen Sie es anschließend mit zwei Gläsern Wasser oder Tee ein. Milch ist nicht geeignet. Verzichten Sie aus Flohsamen, wenn Sie an Divertikulose leiden, schon mal einen Darmverschluss hatten oder bei Ihnen ein Diabetes mellitus diagnostiziert wurde. Beobachten Sie nach der Einnahme allergische Symptome, setzen Sie die Behandlung bitte ab und sprechen Sie mit Ihrem Arzt.

Behandlung des Symptoms Durchfall


Ist Durchfall das dominante Symptom, haben Sie die Wahl zwischen verschiedenen pflanzlichen und schulmedizinischen Medikamenten.

Myrrhe

Myrrhe ist ein altbekanntes Heilmittel, das durch ätherisches Öl, Bitter- und Gerbstoffe wirkt. Die Heilpflanze bessert das Beschwerdebild des Reizdarmsyndroms durch das Zusammenziehen und Abdichten der Schleimhaut sowie die Entspannung der Darmmuskulatur. Durchfall und Schmerzen werden sanft gebremst. Zur Anwendung beachten Sie bitte den Beipackzettel der angebotenen Fertigprodukte.

Uzarawurzel

Die Uzarawurzel hemmt die Darmbewegungen und hilft so sanft bei Durchfall und Bauchkrämpfen. Sie erhalten den Wirkstoff in Form von Saft, Lösung oder Dragees. Der Wirkeintritt ist rasch zu erwarten, wenn Sie die Behandlung in drei bis sechs Dosen über den Tag verteilen. Lesen Sie dazu bitte auch den Beipackzettel. Der Wirkstoff der Uzarawurzel ist mit den Herzglykosiden verwandt. Nehmen Sie Medikamente für Ihr Herz ein oder leiden Sie an einer Herzerkrankung? Dann besprechen Sie die Anwendung von Uzara bitte vorher mit Ihrem behandelnden Arzt.

Loperamid

Aus der Schulmedizin kommt der potente Wirkstoff Loperamid. Das Opioid hemmt lokal im Darm die überschießende Bewegung und stoppt so den Durchfall recht unvermittelt. Mögliche Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Bauchkrämpfe. Nehmen Sie das Medikament nicht über einen längeren Zeitraum ein und stellen Sie mit Ihrem Arzt einen Behandlungsplan auf.

Behandlung des Symptoms Verstopfung


Ist Verstopfung das dominante Symptom, bieten Naturheilkunde und Schulmedizin verschiedene Behandlungsmöglichkeiten.

Sennesfrüchte

Sennesfrüchte sind als Fertigpräparate erhältlich und verdünnen den Stuhlgang durch ihre Inhaltsstoffe Anthranoide, Bitterstoffe, Flavonoide, Harze und Gerbstoffe. Die Wirkstoffe hemmen die Aufnahme von Wasser aus dem Darm und regen die Darmmuskulatur an.

Aloe

Aloe steigert die Ausscheidung von Wasser über den Darm und stimuliert die Darmbewegung. Fertigpräparate sind im Handel erhältlich.

Macrogol

Die Schulmedizin steuert Macrogol bei. Der osmotisch wirksame Ballaststoff Macrogol 4000 oder Polyethylenglycol 4000 bindet Wasser im Darm und erhöht so das Stuhlvolumen. Unerwünschte Wirkungen sind Blähungen, Unterbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.

Behandlung der Symptome Blähungen und Schmerzen


Wirkstoffe aus der Naturheilkunde

Die ätherischen Öle von Kümmel und Pfefferminze wirken sich positiv auf das Reizdarmsyndrom aus, beruhigen und lindern Blähungen. Die Wirkung von Pfefferminzöl konnte in verschiedenen Studien belegt werden (Quelle: www.gesundheitsinformation.de). Mit einer Dosis von 500 bis 800 Milligramm Pfefferminzöl pro Tag (magensaftresistente Kapseln) sahen vier von zehn Patienten eine Besserung ihrer Symptome.

Wirkstoffe aus der Schulmedizin

Aus der Schulmedizin kommen die Wirkstoffe Dimeticon und Butylscopolaminiumbromid. Dimeticon entschäumt lokal im Darm und wird nicht über das Blut in den Körper aufgenommen. Butylscopolaminiumbromid entspannt die Darmmuskulatur und wirkt so gegen Schmerzen.

Erste Hilfe bei Reizdarm leisten traditionelle Hausmittel

Viele Betroffene haben nur leicht ausgeprägte Symptome, die sich zunächst mit Hausmitteln in den Griff bekommen lassen. Probieren Sie es mit

  • Wärmeanwendungen auf dem Bauch in Form einer Wärmflasche oder eines Kirschkernkissens
  • warmen Vollbädern mit einem Schuss Lavendel- oder Melissenöl
  • Kartoffelwickeln um den Bauch
  • Bauchmassagen mit Kümmelöl
  • Kamillentee (Das enthaltene ätherische Öl beruhigt den Darm. Trinken Sie mehrere Tassen Kamillenblütentee aus der Apotheke täglich versetzt mit ein paar Tropfen Kamillentinktur.)
  • Eichenrindentee (Wasserlösliche Gerbstoffe haben einen abdichtenden und antiviralen Effekt im Darm. Trinken Sie mehrere Tassen Eichenrindentee über den Tag verteilt, bis Sie eine Besserung Ihrer Symptome spüren.)

[Außerdem bei DoktorDarm: Die wichtigsten Hausmittel bei Blähungen]

Wie ein Ernährungstagebuch bei Reizdarm helfen kann


Der menschliche Darm ist ein hochsensibles Organ. Wer an einem Reizdarm leidet, hat eventuell Schwierigkeiten mit verschiedenen Lebensmitteln. Probieren Sie in Ruhe aus, was Sie gut vertragen. Sehr hilfreich ist hierbei ein Ernährungstagebuch. Halten Sie in einem Notizbuch oder in einer passenden App auf Ihrem Smartphone genau fest, was Sie wann und wo gegessen haben. Notieren Sie sich möglichst einzelne Zutaten und schreiben Sie ebenfalls auf, wann Sie welche Beschwerden bei sich beobachtet haben.

Auch die Rolle der Psyche darf nicht verharmlost werden: Das Dokumentieren extremer Stimmungsschwankungen oder depressiver Episoden ist wichtig, da sich diese auf die Beschwerden auswirken können. Genaue Uhrzeiten sind sehr hilfreich für eine exakte Auswertung. Sehen Sie sich Ihr Tagebuch nun regelmäßig an, um Nahrungsmittel oder Verhaltensmuster zu entdecken, die Ihre Symptome verstärken. Zeigen Sie Ihre Aufzeichnungen auch Ihrem behandelnden Arzt. Er wird Ihnen helfen zu erkennen, ob eventuell eine Nahrungsmittelunverträglichkeit gegenüber Lactose oder Fructose hinter Ihren Symptomen steckt.

Gesund Essen beginnt auf dem Teller

Unterstützen Sie Ihren gereizten Darm durch das richtige Verhalten beim Essen. Kleine Mahlzeiten, die Sie gleichmäßig über den Tag verteilen, verdaut Ihr Darm besser als drei große Portionen. Genießen Sie Ihr Essen in entspannter Atmosphäre. Kauen Sie gründlich und lenken Sie sich nicht mit dem Fernseher oder dem Smartphone von Ihrer Mahlzeit ab. Nehmen Sie sich bewusst Zeit und Ruhe für Ihr Essen.

Wie Sie Ihren Darm durch die richtige Ernährung positiv beeinflussen können

Bis jetzt steht noch keine spezielle Diät für das Reizdarmsyndrom zur Verfügung. Probieren Sie aus, was Ihnen bekommt. Steht bei Ihnen eher der Durchfall oder die Verstopfung im Vordergrund? Achten Sie darauf, ob Lebensmittel die Darmpassage eher verlangsamen (Karotten, Bananen, Teigwaren, Schokolade) oder beschleunigen (Vollkornprodukte, Birnen, Mangos, Trockenfrüchte). Flüssigkeit in Form von stillem Wasser, milden Teesorten und stark verdünnten Fruchtschorlen aus milden Obstsorten tut Ihrem Darm gut.

Lebensmittel, die bei Reizdarmpatienten Beschwerden verursachen können

Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Reizdarmpatienten negativ auf Ballaststoffe reagieren. Das sind unverdauliche Bestandteile der Nahrung, vor allem Kohlenhydrate. Weitere Lebensmittel, die häufig schlecht vertragen werden sind:

  • Erbsen, Linsen, Bohnen, Kohl
  • Hefe
  • Nüsse
  • Zitrusfrüchte
  • Beerenobst und Steinobst
  • Milchprodukte
  • fettige Speisen
  • Koffein und Alkohol
  • extrem kalte oder heiße Mahlzeiten
  • scharfe Gewürze
  • Getränke mit hohem Kohlensäuregehalt

Allgemeine Tipps bei Reizdarm

  • Weitere Informationen und die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen finden Sie auf den Seiten der Deutschen Reizdarmselbsthilfe
  • Sorgen Sie für Entspannung und beschäftigen Sie sich gegebenenfalls auch mit alternativen Methoden wie dem autogenen Training oder Yoga
  • Bewegen Sie sich regelmäßig und beginnen Sie zum Beispiel eine Ausdauersportart
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